Der Architekt als Komplize

Vom Flughafen der Hauptstadt fuhren wir nur wenige hundert Meter auf den staubigen Pisten durch die angrenzenden Gebiete, die mit ihren Schuppen und Baracken gewisse Ähnlichkeiten mit den Niemandsland-Gebieten haben, die auch in Europa die Flughäfen umgeben. Wir hielten plötzlich an einem dieser Schuppen, der sich als improvisierte Bar in Mitten der Baracken entpuppte. Nach ein paar Bier in der stickigen Hitze der Nacht, und nachdem sich die Moskitos ein Festmahl an mir bereitet hatten, fragte ich Bolivar, den Leiter örtlichen Sektion von Ärzten Ohne Grenzen, wann wir denn weiter ins Stadtzentrum fahren würden. Etwas verwundert blickte er mich an und meinte, das wir uns schon mitten im Zentrum von N’djamena, der Hauptstadt des Tschads, befinden würden.

Der Tschad, eines der ärmsten Länder der Welt, bei einer dreifachen Fläche von Deutschland mit nur 8 Millionen Einwohnern, aber 300 verschiedenen Sprachen vollkommen unterbevölkert und zersplittert, hat während der 60er Jahre den wohl weltweit schlechtesten Prozess einer Dekolonialisierung durchgemacht, und seitdem weder eine Infrastruktur noch eine Zivilgesellschaft aufgebaut. Obwohl es seit drei Jahren Öl fördert, ist in dieser Zeit die Lebenserwartung weiter gesunken, ebenso wie das Bildungsniveau und das Durchschnittseinkommen. Auf dem, von der UN erstellten Entwicklungsindex fiel das Land in dieser Zeit vom 167. auf den 173. Platz von 177 Ländern. Gerade auf Grund des niedrigen Entwicklungsstands, der bitteren Armut, und – abgesehen vom Öl – des generellen Desinteresses der internationalen Gemeinschaft, hat sich der Tschad in den letzten Jahren zum Auffangbecken für Flüchtlinge aus diversen Ländern entwickelt.

Als Georges Menze vor drei Jahren in das kleine tschadische Städtchen Goré kam, unweit der südlichen Grenze zur Zentralafrikanischen Republik gelegen, um als Leiter der regionalen Sektion des Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) sich um die Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik zu kümmern, war Goré ein unattraktives, verschlafenes Nest, mit einer Staubpiste, wenigen Marktständen und einigen Tausend Einwohnern. Kaum ein ausländischer Besucher wird wohl bis dahin seinen Fuß in den Ort gesetzt haben. Drei Jahre später ist Goré immer noch ein unattraktives, verschlafenes Nest. Über die Staubpiste fahren aber mittlerweile eine Vielzahl von weißen Toyota Landcruiser, die den zahlreichen humanitären Organisationen gehören, die sich im Umfeld von UNHCR angesiedelt haben. Während Goré sich in diesem Zeitraum in seiner Größe fast verdoppelt hat, sind in der näheren Umgebung noch viel größere Ansiedlungen entstanden: die Flüchtlingslager Amboko und Gondje mit jeweils rund 15.000 Flüchtlingen. Im März 2003 ist der damalige Präsident der Zentral Afrikanischen Republik, Félix Patassé, von seinem ehemaligen Generalstabschef Francois Bozizé, und mit Unterstützung des tschadischen Präsidenten Deby, gestürzt worden. Seitdem sind zehntausende Menschen in den angrenzenden Tschad geflohen.

Obwohl es sich bei den ‚Nutzern’ um eine Gruppe von etwa 30 Millionen Menschen handelt, die derzeit weltweit als Flüchtlinge oder intern Vertriebene gezählt werden, gibt es im Grunde nur ein einziges Buch, das Planungsansätze für Flüchtlingslager beschreibt. Und obwohl der Kontext, in dem diese Lager entstehen, politischer und konfliktreicher kaum sein könnte, findet die Abhandlung der Thematik fast ausnahmslos auf einer reinen technischen Ebene statt. Sie ignoriert die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen, die jede Planungsentscheidung in diesem brisanten Umfeld hat.

Helmut Schrader, von Ärzte Ohne Grenzen stöhnte, als er auf die Planung der Flüchtlingslager von UNHCR zu sprechen kam: „Kein einziges Mal hat sich irgendeiner der Architekten das Gebiet angeschaut, während sie ihre Pläne zeichneten. Die wussten überhaupt nicht, dass die Gegend hier bewaldet ist.“ In gewohnter Manier hatten die Mitarbeiter von George Menze den standardisierten Lagerplan für das Lager Gondje in der Gegend von Gore mit bis zu 20.000 Flüchtlingen auf ein Gebiet übertragen, das stark bewaldet war und eine spezifische Höhenentwicklung hatte, die ihren ‚neutralen’ Plan nicht anwendbar machte. Doch ohne die örtlichen Kenntnisse zu haben, fiel den Architekten von UNHCR die Unangemessenheit ihres Planes nie auf. Die tschadische Regionalregierung, die ein großes Interesse an der Ansiedlung von neuen Flüchtlingen – und den damit einziehenden humanitären Organisationen – hat, wies George Menze einen Standort zu, der ein Naturschutzgebiet und Wasserschutzgebiet war. Angesichts der erforderlichen Abholzung großer Waldgebiete und der gravierenden Eingriffe in den Natur- und Wasserhaushalt der Region durch eine Ansiedlung von 20.000 Menschen – eine Siedlungsgröße, die in dieser Region sonst nicht vorkommt – kommt die Übernahme des Standortes durch UNHCR und deren ‚neutraler’ und distanzierter Planungsprozess einer sträflichen Handlung gleich.

Flüchtlingslager werden in den meisten Fällen von Architekten und technischen Planern des UNHCR geplant. Basierend auf dem Glauben an allgemein geltenden Menschenrechten und weltweit gleichen Bedürfnissen, zeichnet sich der Planungsansatz von Flüchtlingscamps durch Neutralität aus. Die Standardplanung für Flüchtlingslager geht von einer Flüchtlingsfamilie bzw. dem Zelt als erstes Planungsmodul aus, die es dann in Clustern, Lagerblöcke, Lagersektoren und dem Gesamtlager organisiert, das im ‚idealen’ Fall 20.000 Flüchtlingsbewohner hat. Cluster und Lagerblöcke sind, nach den Vorgaben des einzigen Leitfadens durch kleinere Wege ohne motorisierten Verkehr unterteilt, die Lagersektoren werden durch befahrbare Strassen erschlossen. Insgesamt entsteht somit ein kleines Abbild einer Idealstadt, die in ihrer Übersichtlichkeit und ihrem Glauben an strukturierte Organisation und klare Funktionsverteilung an die modernistischen Stadtplanungen der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts anknüpft. Sie ist von einem Diktum modernistischer Zuversicht und einer Überzeugung von Ordnung und Hygiene geprägt. Dieser modernistische Planungsansatz findet seine Anwendung auf der gesamten Welt. Das die schöne Ordnung, die ausschließlich auf westeuropäische Wertevorstellungen beruht, in der Hölle der staubigen Hitze, in den Malaria- und Cholera-verseuchten Tropenwäldern und häufig in nächster Nähe zu kriegerischen Auseinandersetzungen, wie eine naive Narrenplanung wirkt, scheint man bei UNHCR allerdings noch nicht begriffen zu haben. Gleichgültig ob sich die Flüchtlingsdramatik im Dschungel von Thailand oder in Mitten der Nordafrikanischen Wüste abspielt, überall wird das gleiche naive idealstädtische Modell genutzt um in diesen Regionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, eine Lagerstadt nach europäischer Vorstellung zu projizieren. Doch Naivität wird zur Fahrlässigkeit im Kontext von Gewalt und Katastrophen und gerade die angebliche Neutralität macht die Planung anfällig für eine Politisierung.

Voller Stolz erzählte Menze von seinem Strategiewechsel zur ‚Integration,’ den er mit dem neueren Lager Gondje eingeführt hatte. Integration bedeutet, seiner Erläuterung nach, eine gemeinsame Nutzung von zentralen Einrichtungen wie Schulen und Krankenstationen von Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung, läuft aber im Grunde auf eine permanente Ansiedlung der Flüchtlinge im Tschad aus. Diese permanente Ansiedlung ist zunächst einmal problematisch, da die Flüchtlinge gar nicht zu ihrer eigenen Meinung befragt wurden, und diese Strategie, die ihr Leben grundlegend verändert, über ihre Köpfe hinweg beschlossen wurde. Erste Priorität sollte immer eine Rückführung der Flüchtlinge in ihre ursprüngliche Heimat haben. Nur wenn absehbar ist, dass auf lange Zeit hinweg die Rückkehr nicht möglich ist, sollte eine permanente Ansiedlung in einem fremden Land angestrebt werden.

Auf architektonischer und planerischer Ebene bedeutet die Strategie der ‚Integration’ ein Mehr an Fläche. Anstatt, wie im älteren Lager Amboko nur ca. 45 qm Grundfläche pro Flüchtlingsfamilie bereit zu halten, sieht die Planung der Architekten für das Lagers Gondje eine Fläche von 200 qm für jede Familie vor. Die Flüchtlinge sollen auf der zusätzlichen Fläche ihren eigenen Gemüse-Garten anlegen um dadurch eine größere Selbstständigkeit zu erlangen.

Was sich bei einer technischen Sichtweise ‚neutral’ und ausnahmslos positiv anhört, zeigt jedoch bei einer gesellschaftlichen Betrachtung gravierende demographische Konsequenzen. Viele der Flüchtlinge stammen aus Dörfern und haben bislang ein Handwerk betrieben, Fahrräder repariert oder kleine Läden geführt. Ein anderer Teil der Flüchtlinge sind Nomaden vom Stamm der ‚Buel’ und haben große Viehherden gezüchtet. Sie möchten kein Gemüse anbauen und weigern sich auch Gemüse zu essen. Durch eine simple Planungsentscheidung auf architektonischer Ebene, werden all diese Volksgruppen plötzlich zu Gemüsebauern. Durch wenige Striche auf dem Papier erfolgt eine Homogenisierung und Angleichung wesentlicher Bevölkerungsgruppen und das Vernichten einer nomadischen Lebensweise oder einer Handwerkskultur. Der Architekt nimmt hier die Rolle des Demographen ein, der eine Bevölkerungsstruktur radikal ändert.

Läuft man durch das Lager, bewegt man sich durch eine endlose Ansammlung von lose, verstreut unter Bäumen liegenden Zelten, mit Kochstellen, Latrinen und den Gemüsegärten. Die Lager, die zu permanenten Siedlungen werden, sind mit ihren 15.000 Flüchtlingen größer als die meisten Städte des Tschads. Es sind jedoch keine städtischen Strukturen, die in den Flüchtlingslagern entstehen. Die Lager sind weitläufig, verdichten sich nicht zu einem Zentrum hin, und kennen keine Differenzierung in Quartiere mit unterschiedlichem Charakter. Auf Grund ihrer Homogenität und der geringen Dichte kommen sie einer Vorstadt gleich – ohne die dazugehörige Stadt. Wenn diese Lager permanent werden, entstehen gigantische, dauerhafte ‚Suburbia,’ mit all den problematischen Aspekten einer Vorstadt: Die Homogenität verringert die Möglichkeiten sozialen Austausches und erleichtert Kontrolle und Überwachung der Regionalregierung und der Lager-Gendarmerie. Es gibt kein gesellschaftliches Leben, keine zentrale Dichte, sondern nur ein Ort für das Aufbewahren und Lagern von Menschen, ermöglicht durch eine entsprechende Planung des Architekten.

Da die Flüchtlinge, die aus Kampfzonen geflohen sind, in den Lagern relativ gut versorgt werden und – bei einer Strategie der permanenten Ansiedlung – auf unbestimmte Zeit dort verbleiben können, sind sie keinem Risiko um ihr Leben mehr ausgesetzt. Man hat sich auf humanitärer oder architektonischer Ebene um das ‚Problem’ gekümmert. Es entfällt der Druck, sich dann noch um die Ursprünge und Gründe für die Krisensituation auf politischer Ebene zu kümmern. Die permanente Ansiedlung, eine Lösung mit architektonischen Mitteln, wird zu einer Strategie, einer politischen Lösung aus dem Weg zu gehen. Ohne den planenden Architekt wäre es nicht möglich sich von der Politik abzuwenden. Er wird zum Komplizen der Verdrängung.

Gelangt man im Lager ‚Amboko’ in dessen nördlichen Erweiterungsbereich, verändert sich das Lager drastisch. Dort liegen die Flüchtlinge Zelt and Zelt, dicht gedrängt, ohne schützende Bäume direkt der Sonne ausgesetzt und in direkter Nähe zu stinkenden Latrinen, ohne jegliche Privatsphäre, im Staub der Savanne. Obwohl die beiden bestehenden Flüchtlingslager nur zur Hälfte besiedelt sind, plant UNHCR ein drittes Lager in der Region. Das Flüchtlingskommissariat würde dann zusätzliche Fördermittel erhalten. Auch die tschadische Regionalregierung, die durch die Präsenz westlicher Mitarbeiter ökonomisch profitiert, drängt es dazu. Da mit den verfügbaren Kapazitäten der beiden existierenden Flüchtlingslagern ein dritte Lager gar nicht erforderlich ist, muss die Notwendigkeit konstruiert werden: Flüchtlinge werden innerhalb von ‚Amboko-Extension’ von UNHCR bewusst in einer extrem hohen Dichte, unter jämmerlichen Bedingungen, mit schlechter sanitärer Versorgung und erbärmlichen hygienischen Zuständen untergebracht, und müssen für UNHCR als Demonstrationsobjekt hinhalten. Die konstruierte Not dient dem Flüchtlingskommissariat als ‚Beweis’ um westlichen Besuchern die Notwendigkeit eines zusätzlichen Lagers vorzuführen. Mit Hilfe einer räumlichen Struktur, und dem Schicksal der Menschen, die in dem künstlichen Elend viel schneller an Malaria und Infektionen erkranken, wird ein zynisches Spiel um Finanzierungsfragen und Organisationspolitik gespielt.

Der Raum wird zum Medium für Politik. Flüchtlingslager sind vermutlich die direkteste Umsetzung von Politik in Raum. Jede politische Ausrichtung oder politische Entscheidung hat sofort räumliche Auswirkung in einem Lager. Jede räumliche Veränderung, und sei sie noch so klein, und jeder architektonische Planungsansatz erfährt sofort einen Widerhall auf politischer und demographischer Ebene. Das Lager ist eine zu Raum gewordene Politik.

Als am 13. April das Dorf Djawara im Osten Tschads von den berüchtigten Janjaweed angegriffen, und die meisten Bewohner ermordet wurden, versuchte Abdulaye, mit ein paar seiner Familienmitgliedern einer der wenigen Überlebenden, sich in Sicherheit zu bringen. Das nahe gelegene Lager Goz Amer ist für Flüchtlinge aus dem Sudan errichtet worden. Abdulaye stand dort vor verschlossenen Türen, da er innerhalb seines eigenen Landes lediglich den Status eines intern Vertriebenen hat.

UNHCR definiert in seiner zentralen Konvention von 1951 den Flüchtling als Menschen, der auf Grund einer Gefahr um sein Leben aus seiner Heimat in ein anderes Land fliehen muss und so eine Staatsgrenze übertritt. Verbleibt man hingegen auf der Flucht innerhalb seines eigenen Landes, ist man nach dieser Definition kein Flüchtling sondern ‚nur’ ein intern Vertriebener. Eine Kategorie, für die sich UNHCR und internationale Gemeinschaft nur begrenzt zuständig fühlen. Diese Unterscheidung ist gerade in Afrika, wo Staatsgrenzen auf Kolonialmächte zurückgehen und die Bevölkerungsstruktur missachten, äußerst problematisch. Häufig leben Volksgruppen beiderseits von Landesgrenzen und bewegen sich frei innerhalb des Grenzgebiets, da der Übergang von einem Staat zum anderen in weiten Bereichen weder markiert ist, noch kontrolliert wird. Was in der Landschaft unsichtbar bleibt und für die Bewohner bislang nicht relevant war, wird gerade zum Zeitpunkt größter Schutzlosigkeit zu einem entscheidenden Faktor. Die Grenzen entscheiden, wie man als Flüchtender und Schutzsuchender behandelt wird.

Ohne Essen und Wasser in einer der unwirtlichsten Gegenden der Erde boten sich Abdulaye und seiner Familie zwei Möglichkeiten, eine schlechter als die andere: Ein Ausweg war die Flucht über die Grenze in den Sudan, um dort offiziell den Status als Flüchtling zu erhalten und vom UNHCR in Lagern aufgenommen zu werden. Allerdings bedeutet diese Flucht eine Flucht in den sudanesischen Bürgerkrieg und in die Hände jener Janjaweed, die zuvor sein Dorf vernichtet hatten, und somit in größte Gefahr. Die Konvention des UNHCR, dessen erste Maxime der Schutz von Flüchtlingen ist, treibt sie somit dem Tod entgegen. Der andere Ausweg ist der Versuch auch ohne den offiziellen Flüchtlingsstatus nach Goz Amer oder eines der anderen Lager zu gelangen. Dort campieren die so genannten intern Vertriebenen außerhalb der Lagergrenzen unter erbärmlichsten Bedingungen. Sie hausen dicht gedrängt, in großer Anzahl unter Plastikplanen und sind Temperaturen von bis zu 50 Grad und dem heißen Steppenwind ausgesetzt. Sie erhalten weder Zelte, noch Essen oder Wasser und keinerlei sonstige Unterstützung. Aber sie können sehen, wie ihre Stammesgenossen aus dem Sudan innerhalb des Lagers immerhin von dieser Basisversorgung profitieren. Da andere humanitäre Organisationen meistens vom UNHCR unterstützt werden, müssen sie sich derselben Logik unterwerfen. Nur die Organisation ‚Ärzte ohne Grenzen’ kann auf Grund ihrer Unabhängigkeit auch den Vertriebenen eine grundlegende medizinische Unterstützung anbieten. Die Zweiklassen-Gesellschaft flüchtender Menschen, die durch die Unterscheidung in Flüchtlinge und intern Vertriebene entstanden ist, findet somit eine räumliche Entsprechung in den informellen Strukturen vor den Toren der offiziellen Flüchtlingslager. Die Lager entwickeln ihre eigenen Elendsquartiere, die Slums der Slums für die Ausgestoßenen der Ausgestoßenen. Die Unerwünschten werden in mittelalterlicher Manier vor die Tore dieser virtuellen Städte abgeschoben.

Dennoch sind die informellen Strukturen in eine Flüchtlingsökonomie eingebunden, die UNHCR in zynischer Weise managt. Haben die „intern Vertriebenen“ es lange genug ohne Essen in Staub und Hitze ausgehalten, werden sie vom Flüchtlingskommissariat manchmal mit einer offiziellen Aufnahme in das Camp ‚belohnt.’ Die meisten geben vorher auf und versuchen ihr ‚Glück’ außerhalb eines benachbarten Camps. Die absurde Unterscheidung zwischen intern Vertriebenen und Flüchtlingen spielt in die Hände von Rebellen und verantwortungslosen Staatsführern, die schutzlose Bevölkerungsgruppen für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren. Flüchtlinge werden durch die zynische Politik in Bürgerkriegsregionen hineingetrieben und zum Spielball einer Ideologie, für die das Festhalten an überkommenen Kolonialgrenzen und am Staatsverständnis vergangener Jahrhunderte wichtiger ist, als das Leben der Flüchtlinge, derjenigen Menschen also, die angeblich vom UNHCR geschützt werden sollen.